Der Sender Mühlacker schreibt Rundfunkgeschichte

1929 legt das Reichspostministerium als Standort des neuen großen Senders Mühlacker fest. Das Bauwerk wird in rund zwölf Monaten errichtet. Im Mai 1930 findet das Richtfest statt, im November 1930 folgt die feierliche Eröffnung mit einem Weihespruch und der Übertragung eines Opernkonzertes aus der Liederhalle in Stuttgart. Die Sender besteht aus zwei 100 Meter großen Holzmasten, die in einem Abstand von 195 Meter aufgestellt sind.

Der von Telefunken gebaute siebenstufige Sender läuft bis Dezember 1930 mit 60 kW im Probebetrieb. Am 20. Dezember nimmt er auf 833 kHZ seinen Betrieb auf. Voraussetzung ist eine Röhrenleistung von 360 kW, die von 18 wassergekühlten 20-kW-Röhren aufgebracht wird.

Kurz-Dokumentarfilm aus der Chronik des SWR über den Bau des Grossenders Mühlacker.
Weitere Videos beim Historisch-Archäologischen Verein Mühlacker.

Der erste Sender in Mühlacker kostet fast 450 000 Reichsmark. Er befindet sich im Besitz der Deutschen Reichspost. Sie vermietet den Sender an die Süddeutsche Rundfunk AG. Im Dezember 1933 tauschen die Sender Berlin, München und Mühlacker die Sendefrequenz.

Von Oktober 1933 bis Januar 1934 wird der Sender wegen Verstärkungsarbeiten auf 100 kW stillgelegt. Die zwei Holzmasten werden durch eine 190 Meter hohe Einmastantenne aus Holz ersetzt.

Im März 1940 wird ein zweiter Mittelwellensender mit 100 kW in Betrieb genommen. Bei diesem Sender können die Frequenzen verändern werden. Er wird während des Zweiten Weltkrieges tagsüber als Stör- und Propagandasender betrieben. Am Abend wird er dem Gleichwellennetz des Reichsrundfunk zugeschaltet. Im April 1945 erfolgt die letzte Durchsage des Reichssenders Stuttgart. Am frühen Morgen des folgenden Tages wird der Sender von einer Pionier-Einheit gesprengt.

Noch im selben Monat beginnt eine amerikanische Spezialeinheit gemeinsam mit deutschen Technikern mit dem Wiederaufbau. Im Juni 1945 sendet das „Radio Stuttgart“ zum ersten Mal über eine 52 Meter hohe Stahlgitterantenne. Ab November desselben Jahres strahlt ein zweiter Sender das AFN-Programm für die amerikanischen Streitkräfte aus.

1947 wird der erste Kurzwellensender in Betrieb genommen. 1950 folgt die Inbetriebnahme eines 260 Meter hohen selbst strahlenden Rundstahlmastes für MW und UKW. Mit der UKW-Antenne an der Spitze ragt der Mast bis heute 273 Meter über Mühlacker in den Himmel. Daneben gibt es im Lauf der Zeit noch Masten mit 80, 110 und 130 Meter Höhe auf dem Areal.

Der 110 Meter hohe Stahlfachwerkmast mit UKW-Antenne wird 1993 wegen Baufälligkeit gesprengt. Der 130 Meter hohe Sendemast dient zuletzt nur noch als Reserveantenne. Er wird 2013 gesprengt. Bereits 2006 ist der 80 Meter hohe Mast abgebaut worden.

Am 8. Januar 2012 um 23 Uhr erfolgt die endgültige Abschaltung des Mittelwellensender Mühlacker. Der SWR stellt die Ausstrahlung seines Informationsprogramms SWR cont.ra über die Mittelwellensender in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein. Es gibt Proteste gegen diese Maßnahme.

Es ist geplant, dass der Abbau des ebenfalls ungenutzten 273 Meter hohen Hauptsendemastes bis 2017 folgen soll. Als Wahrzeichen der Stadt soll er in jedem Fall bis zur Gartenschau 2015 stehen bleiben. Danach scheint ein Abbruch unausweichlich, da die erforderlichen finanziellen Mittel für seine Erhaltung vom SWR und der Stadt Mühlacker nicht aufgebracht werden.

2016 stuft das baden-württembergische Landesamt für Denkmalpflege den Sendemast als „technisches Kulturdenkmal“ ein und pocht auf den Erhalt. Der SWR hält an seinen Abbruchplänen fest.

In dieser Zeit gründet sich in der Stadt Mühlacker der Förderverein Sender Mühlacker. Ziel ist der Erhalt des Senders unter anderem mit Spenden. Der Sendemast ist für viele Bürgerinnen und Bürger von Mühlacker längst zum Wahrzeichen der Stadt geworden.

Ungeachtet der Denkmaleigenschaft erteilt am 5. März 2020 das Regierungspräsidiums Karlsruhe die Abbruchgenehmigung. Daraufhin kündigt eine Investorengruppe an, das Grundstück mit dem Masten erwerben zu wollen. Am 20. März 2020 ist das Vorhaben gelungen. Die Investoren Dieter Eberle, Jürgen Fegert, Thomas Knapp, Steffen Ritter und Hans-Bernd Weiner kauften das Senderareal vom SWR für 550.000 Euro und verpflichteten sich, die Spannschlösser zu erneuern.

Am 23. März 2020 unterschreiben die Investoren eine Erklärung für die Haftungsübernahme. Bis Anfang Mai fand der Austausch der Spannschlösser für rund 86.000 Euro statt. Am 28. Juli 2020 wurde der Kaufvertrag beim Notar unterschrieben.